„Als Führungskraft bist du Enabler“

Zweiter Teil des Gesprächs mit Tobias Klaes

Tobias Klaes ist Head of Talent Acquisition beim Mediaagenturnetzwerk GroupM. Im zweiten Teil unseres Gesprächs redeten wir über interne Positionswechsel, die „Instagramisierung“ von LinkedIn und moderne Führungsqualitäten.

Den ersten Teil unseres Gesprächs findest du hier.

Über Tobias Klaes

Tobias Klaes war selbst knapp vier Jahre Personalberater. Danach arbeitete er erst bei Galeria Kaufhof und anschließend bei StepStone als Manager Recruiting & Employer Branding. Bei der GroupM Germany verantwortet er seit September 2021 als Head of Talent Acquisition das Recruiting der Agenturgruppe.

Oliver: Wie bereitet ihr bei GroupM Mitarbeitende auf ihre erste Führungsaufgabe vor? Und wie unterscheidet sich der Vorgang zu deinen Stationen davor?

Tobias: In großen Unternehmen läuft dieser Prozess sehr strukturiert. Ich habe da viele gute Programme kennengelernt, um auch einmal was Nettes über Konzerne zu sagen (lacht). Bei GroupM haben wir ein Assessment Center und eine Potenzialanalyse. Dort schauen wir dann mit potenziellen Führungskräften: Wo willst du hin? Wo sind deine Potenziale und Stärken? Dann gibt es Führungskräftetraining, E-Learnings über LinkedIn und Peer-to-Peer-Coaching. Mir hat der Austausch mit anderen Führungskräften immer am meisten geholfen. Manchmal nehmen wir aber auch Mitarbeitende, die Potenzial auf eine Leitungsposition haben, und entwickeln sie oder ihn on-the-Job.

Oliver: Wie oft geht so etwas schief?

Tobias: Selten, da wir die Personen sehr eng begleiten. Umso weniger diese Begleitung stattfindet, desto häufiger treten Probleme auf. Wenn ich jemanden auf Führungsebene hebe, bin ich als Vorgesetzter oder Vorgesetzte der neuen Führungskraft in der Verantwortung, ihn oder sie bestmöglich zu unterstützen.

Oliver: Nutzt ihr für euer Assessment auch Psychometrisches Profiling, also die wissenschaftliche Analyse und Evaluierung der Persönlichkeitsmerkmale und -struktur, so wie wir es im Recruitingprozess bei allen Kandidatinnen und Kandidaten anwenden?

Tobias: Wir haben eine Kollegin aus dem diagnostischen Bereich, die dieses Thema exklusiv betreut. Das Assessment geht über einen halben Tag und besteht aus verschiedenen Fragerunden, Aufgaben und Rollenspielen. Man erhält auch direktes Feedback als teilnehmende Person. Externe und interne Kandidatinnen und Kandidaten durchlaufen denselben Prozess.

Oliver: Worauf achtest du bei Führungskräften?

Tobias: Wer die Frage „Warum möchtest du Führungskraft werden?“ beantwortet mit „Ich will viel erreichen und mehr Verantwortung“, ist bei mir falsch. Als Führungskraft bist du Enabler, du musst wollen, dass dein Team mehr erreicht. In erster Linie musst du den Menschen sehen und nicht nur seine Aufgaben, den Outcome oder strategische Faktoren. Natürlich sind die Ergebnisse des Teams aber wichtig (lacht). Persönlich will ich mein Team weiterentwickeln, bis die Teammitglieder aus ihrer Rolle herauswachsen und ich überflüssig werde.

Oliver: Diese Entwicklung ist wahnsinnig spannend. Vor 15 Jahren hat diese Antwort noch nicht existiert. Das liegt auch daran, dass früher die beste Fachkraft zur Führungskraft wurde.

Tobias: Leider wahr. Ich versuche guten Fachkräften ohne Führungsqualitäten eine andere Perspektive zu bieten. Zum Beispiel als Ansprechperson beim Thema XY mit dem gleichen Verantwortungslevel wie eine Teamleitung, nur halt inhaltlich.

Oliver: Wie definiert die GroupM ihre Unternehmenskultur? Gibt es einen Wertekern oder unterscheiden sich die Kulturen zwischen den Agenturen zu stark?

Tobias: Die Agenturen im GroupM Netzwerk haben unterschiedliche und natürlich gewachsene Arbeitskulturen. Wir schätzen diese Diversität. Aber wir haben einen agenturumspannenden Grundgedanken: „Gemeinsam mehr erreichen“.

Oliver: Bei Bertelsmann gab es auch konzernweite Programme und die theoretische Option, in eine andere Division zu wechseln. Das war aber eigentlich nur eine schöne Präsentation aus der HR-Abteilung. Wenn du wirklich intern wechseln wolltest, musstest du dich komplett selber darum kümmern. Bei GroupM ist das anders?

Tobias: Führungskräfte wollen ihre besten Mitarbeitenden meist behalten. Bei GroupM fungiert das People Team als Puffer. Jeder kann mit uns über eine ausgeschriebene Stelle oder Perspektiven sprechen. Klar gibt es manchmal noch ein Paar bad feelings, aber in der Regel herrscht Verständnis für den Wunsch, etwas Neues auszuprobieren oder sich zu entwickeln.

Oliver: Besser man hält jemanden im Konzern oder in der Gruppe, bevor er oder sie ganz geht. Viele Führungskräfte werfen aber noch Stöckchen zwischen die Beine.

Tobias: Ich freue mich immer, wenn sich meine Mitarbeitenden weiterentwickeln und etwas Neues versuchen. Klar habe ich auch weinendes Auge, wenn ich jemand gutes ersetzen muss. Wir bewegen uns aber im Recruiting immer in einem Kreislauf: Wir „klauen“ von der Omnicom. Die Omnicom klaut bei uns. Dann kommen noch Dentsu oder Publicis und so weiter dazu … Dann doch lieber gute Mitarbeitende möglichst halten und Perspektiven innerhalb der eigenen Gruppe zeigen.

Oliver: LinkedIn wird immer mehr zur Recruiting-Plattform. Ihr seid dort eher weniger aktiv? Habt ihr das noch vor oder bringt euch das nichts?

Tobias: Wir bauen aktuell unser Social Media neu auf und werden auch stärker für den Bewerbermarkt kommunizieren. Viele „Recruiting-Influencer“ gehen mir aber auf die Nerven. Da geht es mir zu viel um inhaltsleere Aufmerksamkeit und flashy Headlines. Ich muss nicht zum zehnten Mal lesen, das Remote wichtig ist und der Obstkorb nicht als Benefit reicht. Die vermeintlich großen Recruiting-Themen sind oft nur heiße Luft. Mein Ziel für Social-Media ist, unsere Arbeitswelt erlebbar zu machen: Was ist GroupM? Was bedeutet es, bei uns zu arbeiten?

Oliver: Mich regen diese Selfies auf, unter denen dann Sätze stehen wie „Träume nicht dein Leben, sondern lebe deinen Traum“. Da denke ich mir schon „puh“… ob das deinem Unternehmen etwas bringt?

Tobias: Man merkt die „Instagramisierung“ von LinkedIn. Persönlicher Content zieht mehr als professioneller. Die Bilder und der erste Satz haben immer weniger mit dem Inhalt zu tun. Das ist schon faszinierend. Da es funktioniert, müssen wir mitspielen, aber mit echtem Content und über die Mitarbeitenden. Aktuell nutzen wir LinkedIn vor allem für die Direktansprache unter dem Radar.

Oliver: Wie geht ihr dabei vor?

Tobias: Wir haben zum Beispiel Videos gedreht mit den Fachbereichen, in denen sie sich in zwei Minuten vorstellen. Das schicken wir dann an die Kandidatinnen und Kandidaten, damit sie einen echten Eindruck von ihren potenziellen Kolleginnen und Kollegen erhalten.

Oliver: Wir hatten im ersten Teil unseres Gesprächs über Quereinsteigende gesprochen. Geht ihr besondere Wege, um diese anzusprechen? Oder verfolgt ihr andere neue Ansätze?

Tobias: Darf ich die Stellenanzeige als „neuen Ansatz” nennen (lacht)? Daten zeigen, dass Stellenanzeigen immer noch sehr gut funktionieren, obwohl sie oft totgesagt wurden. Der Unterscheid ist, dass es heutzutage stärker über programmatische Kampagnen läuft, also nicht über „Post and Pray“. Wir holen die Zielgruppen aber auch mit Kampagnen dort ab, wo sie sind: z.B. LinkedIn, Instagram, langsam kommt TikTok auch dazu. Teils gehen wir aber auch weg vom Digitalen, hin zum lokalen – nicht auf großen Messen, sondern dort, wo die Kolleginnen und Kollegen unterwegs sind. Wir schauen, wo passiert Media und Tech. Gaming und die Ansprache dieser Zielgruppe rücken aber auch immer stärker in den Fokus.

Oliver: Media- und Digitalagenturen sitzen oft an den gleichen Standorten und bieten ähnliche Gehälter. Was ist dein Argument, damit sich Kandidatinnen und Kandidaten für GroupM entscheiden?

Tobias: Ich glaube, es gibt nicht das „eine“ Argument. Für viele ist unsere Innovationskraft und die Erfolgsgeschichte wichtig: Wir besetzen jede neue Technologie und haben Kunden wie Google. In den Gesprächen versuche ich aber darauf einzugehen, was die Kandidatinnen und Kandidaten erwarten und ob wir zusammenpassen. Möchte die Person kreativ arbeiten, möchte sie Karriere machen? Ist ihr Remote oder Nachhaltigkeit wichtig? Darauf will ich eingehen und ihr oder ihm zeigen, welche Perspektiven bei uns möglich sind.

Oliver: Lieber Tobias, vielen Dank!

Den ersten Teil des Gesprächs mit Tobias Klaes findest du hier