„Wir definieren uns über die Menschen, die hier arbeiten“

Zweiter Teil des Gesprächs mit Ulrich Kramer

Ulrich Kramer ist Mit-Gründer der pilot Agenturgruppe. Im zweiten Teil unseres Interviews reden wir über Unternehmenskultur, Unternehmensführung und den richtigen Zeitpunkt für einen Generationswechsel.

Den ersten Teil unseres Gesprächs findest du hier.

Über Uli Kramer

Ulrich Kramer schloss an der Universität der Künste in Berlin als Diplom-Kommunikationswirt ab. 1999 zählte er zu den Gründern der pilot Agenturgruppe. Dort agiert er bis heute als geschäftsführender Gesellschafter. Zusätzlich ist er seit 2016 Board Member bei Local Planet, dem weltweit größten Netzwerk unabhängiger Mediaagenturen, das von pilot mitgegründet wurde.

Oliver: Wie definiert die pilot Agenturgruppe ihre Unternehmenskultur abseits von der „mach doch einfach mal“-Mentalität?

Uli: Unsere Unternehmenskultur baut auf die Begriffe „Wirkung“, „Freiheit“, „Veränderung“, „Zuversicht“ und „Gemeinschaft“ auf. Und wir verstehen uns als die Agentur für Menschen, die den Markt bewegen – seien es Mitarbeiter, Kunden oder auch externe Partner, zum Beispiel im Medien- oder im Tech-Bereich.

Oliver: Wie pflegt Ihr denn Eure Unternehmenskultur? Lebt das Management diese einfach vor und dekliniert sie weiter durch oder gibt es auch taktisch strategische Ansätze?

Uli: Wir legen großen Wert darauf, dass unsere besondere Unternehmenskultur im täglichen Miteinander gelebt und nicht von oben verordnet wird, weil das ohnehin nicht funktionieren würde. Wir alle kennen die leicht vergilbten Poster mit den 10 generischen Leitlinien, wie sie wahrscheinlich in tausenden von Konfis hängen. Das wollen wir nicht. Unsere Teams haben feine Antennen dafür, was „pilotig“ ist und was nicht, und wir tun einiges dafür, dass das trotz Wachstum und Fluktuation so bleibt. So gehe ich beispielsweise einmal im Quartal auf alle neuen piloten zu und führe sie in unsere Firmengeschichte und unsere Kultur ein. In Summe dürften es hunderte von Maßnahmen und Gelegenheiten sein, durch die unsere Unternehmenskultur sichtbar und gepflegt wird. Vom Umgang miteinander im Alltag oder der Mitarbeiterförderung über Social Days, Sport- und Gesundheitsangebote oder tolle Events bis zur Möglichkeit für Hospitanzen in allen Unternehmensbereichen.

Oliver: Der Recruiting-Prozess ist ein ganz wichtiger Punkt. Ich habe im Markt über Euch immer nur Gutes gehört, selbst von Kandidaten, die nicht angenommen wurden. Das fasziniert mich.

Uli: Schön, dass Du das bestätigen kannst. Unser HR-Team bekommt immer wieder sehr gutes Feedback für den wertschätzenden und transparenten Umgang im Bewerbungsprozess – selbst dann, wenn es mit einem Job bei pilot vielleicht nichts geworden ist. Wir definieren uns über die Menschen, die hier arbeiten und nicht über Produkte oder Patente wie im produzierenden Gewerbe. Also sollten die Menschen auch im Mittelpunkt stehen.

Oliver: Und welche Unterschiede gibt es zwischen einer Netzwerk-Agentur und einer inhabergeführten Agentur?

Uli: Wir haben viele Kolleginnen und Kollegen, die aus Netzwerk-Agenturen kommen und die alle ein sehr ähnliches Feedback auf diese Frage geben: Sie schätzen kurze Entscheidungswege, Verbindlichkeit, Langfristigkeit, Verantwortung, unternehmerisches Denken, schnelles Vorankommen jenseits starrer Karrierewege etc. Deshalb gelten wir bei vielen auch als eine Agentur, bei der man ankommen kann und nicht nur eine überschaubare Zeit seines Arbeitslebens verbringt.

Oliver: Wenn du als junger Mensch in einer positiven Unternehmenskultur landest, denkst du wahrscheinlich, dass es überall so ist. Und dann wechselst du und bereut es.

Uli: Ja, das ist leider immer wieder der Fall. Einige, die bei uns gestartet und dann zu einer Netzwerk-Agentur gewechselt sind, haben die besonderen pilot-Werte erst danach so richtig schätzen gelernt und erzählen einem das dann später mal nach dem dritten Bier… Im besten Fall kehren sie zu uns zurück.

Oliver: Hat Corona eure Unternehmenskultur verändert?

Uli: Corona hat unsere Kultur und ihre Wahrnehmung eher gestärkt und bewiesen, dass wir nicht nur warme Worte verlieren.

Oliver: Wo habt Ihr bewusst Chancen nicht ergriffen, um eure Kultur zu schützen – zum Beispiel große Etats aus ethischen Gründen abgelehnt?

Uli: Ethische Gründe spielen gar keine so große Rolle. Wenn wir Chancen ablehnen, dann meist aufgrund von mangelnden Ressourcen. Wenn ich als Unternehmen für mich in Anspruch nehme, dass wir wertschätzend und partnerschaftlich miteinander umgehen, kann es nur eine gewisse Belastung der Teams mit Bestands- und Neugeschäft geben, ohne dass Qualität und Stimmung leiden. Indem wir das nicht zulassen, schützen wir unsere Kultur. Was ethische Fragen betrifft, hatten wir in der Vergangenheit wenige kritische Fälle. Grundsätzlich vertreten wir aber die Ansicht, dass alle Unternehmen, die sich im Rahmen unserer Gesetze bewegen, ein Recht darauf haben, im Markt gehört und gesehen zu werden.

Oliver: Was sagen denn das Management oder auch die Mitarbeitenden dazu?

Uli: Die Haltung ist da recht klar. Wir sind Kommunikations-Profis und müssen nicht immer selbst Zielgruppe oder Fans eines Produktes sein, um gute Kampagnen machen zu können. Ich kann erfolgreich für Treppenlifte werben, hoffe aber dennoch, dass ich noch lange kein zufriedener Kunde werde (lacht).

Oliver: Mit erfolgreichen Unternehmen, die ein stabiles langjähriges Management haben, wo vielleicht auch noch die Gründer drin sind, assoziiert man auch einen erfolgreichen Führungsstil. Kannst du deinen Führungsstil definieren und beschreiben?

Uli: Mein Führungsstil hat sich die letzten Jahre durchaus geändert. Anfangs war er vielleicht ein wenig egomanisch, wenn ich an radikale Strategieschwenks und durchgearbeitete Nächte vor wichtigen Präsentationen zurückdenke. Ich wusste halt ganz genau, was richtig ist (lacht). Heute ist mein Führungsstil viel stärker durch das Miteinander und die Erkenntnis geprägt, dass die meisten am Tisch in ihren Bereichen viel besser Bescheid wissen als ich. Anderen die Möglichkeit zu geben, dass sie glänzen können, Impulse zu geben und transparent sowie auf Augenhöhe zu kommunizieren steht heute für mich im Vordergrund – ohne dabei auf einen hohen Qualitätsanspruch zu verzichten.

Oliver: Du hast das Wort „egomanisch“ erwähnt. Gibt es etwas, was du in Bezug auf Führung rückblickend gerne besser gemacht hättest?

Uli: Nein, da fällt mir rein gar nichts ein (lacht). Im Ernst: Vielleicht hätte ich das eine oder andere Buch zu Team-Organisation und Führung etwas früher lesen sollen. Auch Coaches sind an mir nicht reich geworden.

Oliver: Wie lässt sich ein Generationenwechsel im Top-Management am besten planen und durchführen – wo sind die besonderen Herausforderungen und Fallen?

Uli: Oft geht der Generationenwechsel in Konzernen mit einem harten Schnitt einher. Müller wird am 31. verabschiedet, Meier startet am 1. von vorne. Als inhabergeführte Agentur haben wir den großen Vorteil, dass wir einen gleitenden Übergang in die nächste Management-Generation gestalten können. Wir denken da nicht in Wochen oder Monaten, sondern in Jahren. Den Generationenwechsel haben wir bereits vor vier Jahren angestoßen. Seitdem übergibt die Gründergeneration schrittweise Aufgaben, teilt ihre Erfahrungen, steht aber auch langfristig noch für operative Unterstützung und Projekte zur Verfügung. Das sind ideale Voraussetzungen für unsere Nachfolger. Und wer von den Gründern noch zu jung ist so wie ich, muss voll weiterarbeiten (lacht).

Oliver: Gibt es Momente, wo du sagst, dass du etwas bereut hast oder im Gegenteil, dass es Eure beste Entscheidung war?

Uli: Ich finde grundsätzlich, dass man nichts bereuen sollte, wenn man nicht totalen Mist gebaut hat. Besser lernt man aus seinen Erfahrungen und blickt in die Zukunft statt in die Vergangenheit. Deshalb teile ich auch lieber ein paar gute Entscheidungen der letzten 23 Jahre. Schlau war sicher unser starker Fokus auf das Thema „Digital“, nachdem die New Economy Blase geplatzt war und sich viele Agenturen in dem Glauben zurückzogen, dass das Internet ein vorübergehendes Phänomen sei. Eine weitere gute Entscheidung war es, als kleiner Außenseiter in den Pitch um einen der größten Werbungtreibenden der Welt zu gehen, diesen zu gewinnen und die Herausforderung anzunehmen. Das hat uns in die Top-Liga der Agenturen katapultiert, und für den Kunden dürfen wir heute noch arbeiten. Eine dritte gute Entscheidung war das rechtzeitige Einleiten des Generationswechsels in der operativen Agenturführung. Viele verpassen den richtigen Zeitpunkt, was eine unabhängige Agentur schnell zum Übernahmekandidaten machen oder den schleichenden Abstieg einläuten kann. Das wird uns nicht passieren und wir sind stolz darauf, dass die pilot auch in der nächsten Generation in dem Sinne weitergeführt wird, wie wir uns das bei der Gründung vorgestellt haben.

Oliver: Als abschließende Frage: Was ist dein aktuelles Top-Argument, mit dem du potenzielle Mitarbeitende davon überzeugst, bei pilot an Bord zu kommen?

Uli: Wenn Du mit Menschen arbeiten willst, die den Markt bewegen und Du dich in einer Kultur wohlfühlst, die von Freiheit, Veränderung, Zuversicht und Gemeinschaft geprägt ist, dann bist Du bei uns richtig. Kicker, Dachterrasse, Massagen, Remote Work, frisches Obst und ausgezeichnete Kaffeespezialitäten gibt es bei uns sowieso.

Oliver: Vielen Dank, Uli! Das war wie erwartet ein sehr spannendes Gespräch!

Den ersten Teil des Gesprächs mit Uli Kramer findest du hier. Darin geht es um die erfolgreiche Gründung und Organisation eines Unternehmens, die Expansion der pilot-Gruppe und darüber, wie Uli es seit 23 Jahren als Geschäftsführer schafft, am Ball zu bleiben.