„Ich glaube nicht
an ‚one culture
fits all‘“

Erster Teil des Gesprächs mit Heike Borst

Heike Borst ist Chief People Officer bei der Digitalagenturgruppe PIA Group. In Teil eins unseres Gespräches reden wir über den Einfluss von Geschäftsführung und Investoren auf die Unternehmenskultur, den Wertekodex der PIA Group und Störgeräusche im Team.

Über Heike Borst

Heike Borst arbeitet seit fast zehn Jahren in verschiedenen Positionen im Digitalagenturnetzwerk PIA Group. Zuerst bei der Dymatrix Consulting Group als Senior HR Manager, baute sie ab 2019 zunächst die gruppenweite Weiterbildungsakademie „PIA Campus“ für die Group auf. In 2021 wechselte sie dann vollständig zu Corporate. Seit Sommer 2021 ist Heike Chief People Officer der PIA Group und kümmert sich um die 1100 Mitarbeitenden. Zusätzlich lehrte die Expertin über viele Jahre als Dozentin im Bereich Personalführung.

Oliver: Was war die kreativste Bewerbung, die du je erhalten hast?

Heike: Ein Student ist auf seinem Heimweg immer an unserem Gebäude vorbeigelaufen. An einem Freitagabend hat er einfach bei uns geklingelt und gesagt: „Es sieht spannend aus, was ihr macht. Ich würde gerne bei euch arbeiten.“ Das fand ich super. Ich habe mich dann spontan mit ihm zusammengesetzt und tatsächlich haben wir ihn auch als Werkstudent beschäftigt.

Oliver: Wir wollen heute über Unternehmenskultur sprechen. Wofür braucht es deiner Meinung nach überhaupt eine Unternehmenskultur?

Heike: Eine Unternehmenskultur ist wichtig als Wertegerüst für Mitarbeitende. Sie gibt Orientierung, wie man im Unternehmen miteinander und mit den Kunden umgeht, wie miteinander kommuniziert wird, wie Aufgaben angegangen und Probleme gelöst werden. Sie verleiht Sicherheit.

Es gibt keine Nichtexistenz von Kultur – nur eine gute, schlechte oder eben diffuse. Es ist sehr wichtig, dass Arbeitgeber klare Werte definieren und die Multiplikator:innen diese vorleben.

Oliver: Welchen Einfluss hat die Geschäftsführung auf die Unternehmenskultur – im Guten wie im Schlechten?

Heike: Die Geschäftsführung hat einen sehr großen Einfluss! Erfahrungsgemäß geht es schneller, etwas einzureißen, als etwas aufzubauen. Eine Geschäftsführung oder Meinungsführer:innen im Unternehmen können schnell die Belegschaft oder ein Team „vergiften“.

Eine Kultur ins Positive zu wandeln benötigt Zeit. Das sieht man an Bewertungen auf kununu oder Glassdoor, in denen Transformationsprozesse ja oft Thema sind. Es braucht viele positive Erfahrungen für einen neuen Vertrauensaufbau.

Oliver: Als ich vor vielen Jahren ein Team aus rund zehn Mitarbeitenden leitete, war die Stimmung sehr gut. Bei jedem neuen Teammitglied habe ich gehofft, dass es sich nahtlos in die Gruppe einfügt und nicht für interne Probleme sorgt.

Heike: Als Führungskraft ist es eine wichtige Aufgabe, solche Personen schnell zu identifizieren. Du kennst bestimmt auch die Diskussion: Mitarbeiter:in X passt nicht ins Team oder verhält sich unkollegial, aber die Kund:innen schätzen ihn/sie. Ich denke, sowas darf man heute nicht mehr durchgehen lassen. Auch wenn es sich vielleicht negativ auf den Kundenumsatz auswirkt, ein:e unpassende:r Kolleg:in macht unglaublich viel kaputt, was letztlich noch teurer werden kann.

Oliver: Ein Mandant von mir kämpft mit einem schlechten Arbeitgeber-Image, obwohl die – berechtigten – Kritikpunkte vor fünf Jahren ausgeräumt wurden und es nun ein wirklich tolles Unternehmen ist. Gerade in eng vernetzten Branchen wie unserer dauert es Jahre, ein schlechtes Image abzulegen.

Heike: Die neue Kultur muss auch erst bewiesen werden.

Oliver: Genau, und Arbeitgeber müssen erst einmal die Chance bekommen, sich zu beweisen. Als Personalberater muss ich hierbei viel Überzeugungsarbeit leisten.

Hat PIA eine übergreifende Unternehmenskultur oder bestimmen darüber die einzelnen Tochteragenturen?

Heike: Beides. Wir haben als Gruppe einen Wertekodex erarbeitet, sozusagen unser Grundgesetz, das unsere grundlegende Haltung über die Gruppe hinweg festlegt.

Doch wo wir über Zukäufe unsere Group erweitern, haben wir keinen gemeinsamen kulturellen Ursprung. Jede Tochtergesellschaft hat daher eigene Ausprägungen, bedingt auch durch die Geschäftsmodelle. Manche sind eher agil unterwegs, manche klassisch. Ich glaube nicht an „one culture fits all“. Als Gruppe wollen wir keine bestehende Kultur überschreiben.

Oliver: Wie messt ihr, wie das „Grundgesetz“ in den einzelnen Agenturen aufgenommen wird?

Heike: Über Befragungen messen wir die Zufriedenheit der Mitarbeitenden bezogen auf die Gruppe und die Agenturen. Dabei fragen wir auch Items ab wie „Ich fühle mich als Teil der PIA Group“ und „Die gruppenübergreifende Zusammenarbeit funktioniert gut“. Das hilft uns zu prüfen, ob wir weiterhin auf einem guten Weg sind.

Oliver: Gibt es denn aktuell eine besondere Aufgabe im Hinblick auf eure Unternehmenskultur?

Heike: Ja, wir wollen noch stärker agenturübergreifend arbeiten. Dafür braucht es sehr viel und sehr regelmäßigen Austausch, um ein internes Netzwerk aufzubauen. Wir bieten gemeinsame Workshops und Trainingsprogramme an, in denen wir diesen übergreifenden Ansatz vermitteln. Das ist ein Prozess, den wir laufend pflegen müssen.

Oliver: Welche Rolle spielen die Gesellschafterinnen und Gesellschafter bei der Unternehmenskultur? Könnt ihr Kunden ablehnen, die nicht zu euch passen oder deren Betreuung ihr “ethisch” nicht vertreten möchtet, oder legen dann die Investoren ihr Veto ein?

Heike: Eine spannende Frage, da sich die Antwort immer stärker von der Gewinnmaximierung hin zur Kultur wandelt. Es gibt zwischen Gesellschafter:innen und Management dazu auch keinen Dissens. Auch Investor:innen sind an gesellschaftliche Entwicklungen gebunden oder legen selbst Wert darauf, dass zum Beispiel ESG-Standards (Environmental, Social, Governance, Anm. d. Red.) eingehalten werden. Zum Glück haben wir vor allem nachhaltige Kundenbeziehungen, die diese Werte erfüllen. Es gab aber auch einen Kunden mit einer langen gemeinsamen Geschichte, bei dem wir uns bewusst entschieden haben, die Zusammenarbeit auslaufen zu lassen.

Oliver: Was macht ihr mit Bewerberinnen und Bewerbern oder Mitarbeitenden, die kulturell nicht perfekt zu euch passen, aber fachlich top sind?

Heike: Das kommt drauf an (lacht). Wir selektieren im Bewerbungsprozess bewusst. Auch haben wir durch unseren Webauftritt, Social Media, kununu etc. ein aussagekräftiges Arbeitgeber-Profil, das bestimmte Menschen anzieht und andere nicht. Daher bewerben sich meist passende Kandidat:innen.

Wenn wir nach einer Zeit merken, es läuft nicht rund mit einem Mitarbeitenden, schauen wir uns die Situation an: Entweder die Person passt nicht perfekt, ergänzt unser Team aber um einen Aspekt, den wir in unsere Kultur mitaufnehmen wollen. Oder, wir kommen nicht auf einen Nenner. Dann ist es die Aufgabe der Führungskraft, ihr Team zu schützen. Das ist schmerzhaft, muss aber sein.

Hier kommst du zum zweiten Teil des Gesprächs mit Heike Borst. Dort geht es unter anderem um Remote Work als „Klebstofflöser“, Kommunikation in der Krise und gezielten Kulturwandel in akquirierten Agenturen.

Hier kommt ihr zu Heike Borsts LinkedIn-Profil